04.05.2012


Japo's Anatomy

6.13 h
Der Wecker klingelt und es ist Zeit aufzustehen. Ich versuche den Ruf meiner Uhr zu ignorieren und drehe mich nochmal um in der Hoffnung, dass die Welt genau jetzt untergeht und ich in Frieden weiter schlafen kann, aber die Realität holt mich schnell ein und quäle mich aus dem Bett.

7.01 h
Ich mache mich auf dem Weg zur Metro und tauche ein in den Strom von Menschen, die sich alle auf dem Weg zur Arbeit machen. Ich esse mein Croissant, lese meine Zeitung und beobachte heimlich das Treiben im Wagon – ich bin jetzt ein Pariser. Das Universitätskrankenhaus Bichat, in dem ich seit einem guten Monat arbeite, befindet sich im Norden von Paris, am Porte de St. Ouen. Von außen wirkt es alt und heruntergekommen, es scheint so, als ob es seine besten Zeiten schon lange hinter sich hat, aber drinnen werden immer noch wahre Wunder vollbracht.

7.35 h
Ich eile schnell zur morgendlichen Besprechung, wo die Internes (Assistenzärzte) dem Team die Fälle der letzten Nacht präsentieren. Es immer wieder ein Genuss, wenn die Oberärztin Dr. J die Internes auseinander nimmt, weil sie schon wieder eine Diagnose falsch gestellt haben, abenteuerliche Therapien begonnen haben oder die Patienten fast umgebracht haben. Dann wünscht sich jeder, dass er nicht gerade vorne ist, um Rede und Antwort zu stehen. Von einer Verflachung der Hierarchien im Krankenhaus hat noch nie jemand was gehört, der Professor und seine Oberärzte sitzen am Runden Tisch, die Stationsärzte platzieren sich in der zweiten Reihe, dann kommen die Internes und letztlich die Externes, die Sklaven, wir Studenten, zu denen ich auch gehöre.
Prof. M empfiehlt mir den ersten Monat bei der Consultation, der Sprechstunde, zu arbeiten, damit ich einen Eindruck gewinne, von dem was man in der Orthopädie macht. Als ob ich das nicht wüsste...

8.14 h

Jeden Dienstag und Donnerstag bereitet einer von uns Studenten eine Vortrag vor, in dem er einen wahren Fall aus der Klinik präsentieren soll. Heute bin ich dran und ich erläutere dem Team mit meinem gebrochenem Französisch die unterschiedlichen Behandlungen einer rezidivierenden Schulterluxation. Natürlich amüsiert sich jeder über meinen Akzent und den bohrenden Fragen der Ärzte kann ich leider nicht entfliehen. Wie aber erkläre ich den Unterschied einer Bankert-Läsion und einer Hill-Sachs-Läsion auf französisch, wenn ich den Unterschied gar nicht kenne? Zum Glück rettet mich der Interne Dr. S und hilft mir aus meinem Dilemma, zudem erklärt er sich bereit mit mir bei einem Kaffee die Röntgenbilder nochmal durchzugehen :)

9.20 h
Eigentlich fängt die Sprechstunde um neun Uhr an, aber hier in Paris macht man erst mal eine ordentliche Frühstückspause, da die Morgenbesprechung immer so anstrengend ist.
Und dann kommt er. Dr. M, der Arzt dem die Frauen vertrauen. Er hat diesen Blick und dieses Lächeln, dem keiner wieder stehen kann, wohl deshalb folgen die Patienten seinem Rat bedingungslos. Natürlich ist er auch ein guter Arzt. Ich arbeite heute mit Dr. M und assistiere ihm bei seinen Untersuchungen, führe Anamnesegespräche durch und bringe ihm natürlich seinen Kaffee.



12.54 h
Nach 28 Patienten gelange auch ich langsam an meine Reserven und es ist Zeit für ein Mittagessen, jedoch werde ich in der Cafeteria schnell enttäuscht, denn anscheinend essen Pariser nur ein Salat oder ein Sandwich. Ich würde am liebsten beides essen und dann noch ein Steak hinterher.
Nach dem Snack mit den anderen Externes verabschiede ich mich, um meinen Feierabend zu genießen, jedoch erinnert mich Dr. S an unsere Röntgenbesprechung und ich besorge noch schnell unseren Kaffee.



15.04.2012



Frohes neues Jahr

Es ist Mitte April und meine Freunde wünschen mir viel Erfolg, Glück und Gesundheit für das neue Jahr. Ich schaue zunächst verdutzt und frage mich, ob die Franzosen einem anderen Kalender folgen oder ob ich jetzt jegliches Zeitgefühl verloren habe - was gar nicht so unwahrscheinlich klingt, da mir jeder Tag wie ein Feiertag vorkommt - bis ich realisiere, dass meine Freunde sich besser mit dem Buddhismus auskennen als ich, denn in Thailand und Laos wird gerade das Jahr 2555 gefeiert.
Und da ich so unglaublich gläubig bin und auch jeder Tradition ihren Tribut zolle, muss dieser Feiertag gebührend gefeiert werden.



Obwohl Paris der perfekte Ort zum feiern ist, entscheiden meine Freunde und ich die Stadt zu verlassen, um auf dem Land eines der größten buddhistischen Tempel in Frankreich aufzusuchen. Und der Weg dorthin ist schon ein Erlebnis für sich. Glaubt ihr der Verkehr in der Stadt in Köln ist schrecklich? Dann habt ihr noch nie ein Auto in Paris benutzt. Ich schnalle mich also vorne an, zünde den Motor und gebe Gas, doch ich komme keine zehn Meter vorwärts und habe bestimmt schon drei rote Ampeln übersehen, fast eine Oma überfahren und mich gegen etliche Autos angelegt. In Frankreich scheint es keine Straßenmarkierungen zu geben, mitten auf dem achtspurigen Kreisverkehr taucht plötzlich eine Ampel auf und ich fange an zu schwitzen. Zudem habe ich noch eine rot-grün-Schwäche und kann nicht gleichzeitig Auto fahren und dem Navi folgen. Willkommen auf den Straßen von Paris. Glücklicherweise ist dort oben jemand, der auf uns aufpasst und uns auf den richtigen Weg bringt.



Wir kommen am Tempel an und sehen diese Masse an Thailändern und Laoten, fein herausgeputzt, ihre Hände voll mit Gaben an die Mönche, es müssen über Tausend Besucher sein. Es ist ein bewölkter Apriltag und es weht ein leicht kühler Wind, aber dass kann keinen hier abhalten sich auf der Wiese nieder zu setzen und den Gebeten zuzuhören. Mir scheint es so, als ob ich der einzige bin, der die Gebete nicht auswendig kann, aber ich falte trotzdem meine Hände und bewege meine Lippen synchron zu denen meiner Nachbarn, dabei geht mir gerade ein Lied von Rihanna durch den Kopf, der eigentlich nicht dem Anlass entspricht, aber ich gebe mein Bestes, um nicht aufzufallen.
 
Nach dem Gebet bringen wir unsere Opfergaben an die Mönche, die uns mit ihrem Weihwasser segnen und uns viel Glück für das neue Jahr wünschen. Dabei bräuchte ich eher Glück für die Heimfahrt nach Paris. Man kann die Geschenke an die Mönche auch vor Ort kaufen. Es handelt sich um alltägliche Dinge, etwas zu Essen und Kleidung. Mir fällt aber auf, dass nach der Übergabe der Gaben die Geschenke ihren direkten Weg zum Verkaufsstand wieder finden, um in einer Endlosschleife von Verkaufen und Schenken zu landen. Irgendwie muss sich dieser Tempel ja auch Geld verdienen.
Anschließend machen wir uns auf den Weg zu den unzähligen Buddhastatuen, um jeden einen Weihrauchstäbchen zu zünden. Es gibt sieben für jeden Wochentag, zwölf für jedes Tierzeichen, andere die für Glück oder Gesundheit stehen, nach einer halben Stunde fühle ich mich selbst wie ein Weihrauchstäbchen und stecke meine restlichen Stäbchen dem Buddha der Fruchtbarkeit zu, in der Hoffnung, dass ich Paris ohne Kinder verlassen werde.


Das beste heben wir uns aber zum Schluss auf. Und in meinem Fall kann es anderes nichts sein als: Essen. Ich fühle mich wie auf einem Markt auf den Straßen von Laos. Überall riecht es nach leckeren Köstlichkeiten, es wird unter dem offenen Himmel gekocht und jedes Gericht wird in zwei Minuten frisch zubereitet. Natürlich muss man über die hygienischen Zustände hinweg schauen, aber das essen soll ja authentisch sein. Obwohl ich gerade erst vom Gebet komme, begehe ich schon wieder eine Sünde und fröne der Völlerei. Ich schlage meinen Bauch mit Suppen, geratenen Nudeln, getrocknetem Rindfleisch, scharfen Papayasalat, Frühlingsrollen, gebackenen Tintenfischringen und frittierte Bananen voll.
Glücklich und zufrieden steigen wir wieder in das Auto, um in Paris weiter feiern zu gehen ;)
Frohes neues Jahr 2555

09.04.2012


Vivre à la campagne



Ich bin mit der Vorstellung nach Paris gekommen eine richtig schöne Bleibe zu finden, in der ich meinen Sommeraufenthalt genießen werde. Im Kopf schweben mir meterhohe Decken mit Stuck verziert, alter Parkettboden, der knarrt, wenn man über ihn läuft und riesige Fenster, durch die die Sonne den ganzen Tag hindurch scheint,vor. Idealerweise liegt die Wohnung mitten im Zentrum, wo das Leben pulsiert, entweder im ersten Arrondissement, wo ich alles gut zu Fuß erreichen kann oder im Marais, wo ich jeden Tag feiern gehen kann, vielleicht aber auch in St. Germain, wo ich das alte Paris entdecken kann oder doch lieber im neuen In-Viertel um Republique? Schnell mache ich jedoch mit einer Sache Bekanntschaft, die meinen Plan durchkreuzt : die Miete. Extraordinär hoch und in keiner Relation zu den zu vermieteten Objekten. In Paris bezahlt man für ein zehn Quadratmeter großes Zimmer um die 600 bis 700€, wohnt im siebten Stock ohne Aufzug und wenn man Glück hat, existiert ein Fenster. Aber ich gebe nicht so leicht auf und bereite mich auf mein Abenteuer auf dem Wohnungsmarkt in Paris vor. Ich durchforste um die 850 Internetannoncen, rufe bei gefühlt 100 Vermietern an und schaue mir mindestens 50 Wohnungen an, bis ich endlich meine Traumwohnung gefunden habe. Ich entscheide mich in eine WG mit Clement zu ziehen, wodurch es etwas günstiger wird und ich gleichzeitig einen privaten Französischlehrer habe ;)

Die Wohnung liegt im zwölften Arrondissement, im Südwesten der Stadt, an der Grenze zum Stadtwald. Hier ist ruhig und gelassen, zweimal die Woche findet morgens ein Markt auf dem Boulevard statt,die Cafés schließen Abends um zehn und nachts bin ich der einzige der angetrunken nach Hause torkelt - man könnte fast sagen ich lebe auf dem Land. Aber mir gefällt's. Clement arbeitet im Bankwesen und ist oft beruflich unterwegs, sodass ich unser Appartement meistens für mich allein habe.







Gerade packe ich meine beiden Koffer aus, als sich Bibi und Mario aus Köln zu Besuch anmelden. Sie sind die zweiten, die meinem Ruf folgen und mich in Paris besuchen, worüber ich mich immer freue. Der beste Plan für einen Aufenthalt in Paris ist keinen zu haben, denn dadurch genießt man die Zeit hier viel besser und lernt die Stadt wie ein Pariser kennen. Wir entscheiden uns Paris mit dem Fahrrad zu erkundigen, damit auch die kleinen, romantische Ecken dieser schönen Stadt entdeckt werden, auch wenn das Fahrrad fahren hier ganz schön gefährlich werden kann. Man muss nur an die achtspurigen Kreisverkehre denken ;) Wir benutzen Velib, ein Fahrradausleihsystem, das alle dreihundert Meter eine Station errichtet hat, zudem ist die erste halbe Stunde kostenlos. Auf unserer Route halten wir auf der Rue Montorgueil um dort lecker französisch zu essen, wir stoppen bei Fauchon, um die Welt der Macarons zu entdecken, natürlich besuchen wir auch die Champs Elysees und genießen die Zeit auf den Treppen vom Sacre Coeur. Bibi und Mario sind ein lustiges Pärchen und es macht super viel Spaß mit ihnen Paris zu erobern.






Und wenn ihr auch Lust auf Paris habt, heiße ich euch gerne auf meinem Landschloss willkommen.

05.04.2012


Wie sagt man Japo auf Kasachisch?

Ich bin jetzt seit ein Paar Wochen in Paris und fühle mich durch und durch wie ein richtiger Pariser. Ich kleide mich wie sie, ich gehe wie sie, ich lache wie sie, ich esse in den gleichen Restaurants, besuche die gleichen Bars und fahre jeden Tag mit ihnen in der Metro, aber irgendetwas an mir lässt erkennen, dass ich nicht ganz von hier bin, obwohl ich jeden Tag mein Bestes gebe. Ist es vielleicht mein deutscher Akzent, mein gutes Englisch oder eher meine riesige Vokabellücke in der französischen Sprache? Ich denke eher letzteres.
Also entscheide ich mich dafür einen Französischkurs zu besuchen, damit ich endlich als Pariser durchgehe und eventuell ist es keine schlechte Vorbereitung auf das spätere Praktikum im Krankenhaus, wo ich, ob ich es will oder nicht, mit Patienten reden soll.



 
Auf der Suche nach der richtigen Schule stolpere ich über die Seite der Alliance Francaise. Im Süden der Stadt gelegen, in der Nähe zum Jardin Luxembourg, bietet die AF verschiedene Kurse auf unterschiedlichem Niveau an und aus einem unerklärlichen Grund stuft man mich in den Kurs B2 ein, obwohl ich beim Einstufungstest versage, aber mein charmantes Lächeln holt mich dort wieder raus. Ich gehe jetzt also wieder zu Schule, dreimal die Woche vormittags und zweimal nachmittags. Ich quäle mich jeden Tag aus dem Bett, dreh mich noch zweimal um bevor ich wirklich wach bin, putze mir in letzter Minute die Zähne, um schnell in die Metro zu springen, komme wie immer zu spät und im Unterricht versuche ich nicht einzuschlafen. Das alles erinnert mich an meine Schulzeit auf dem Gymnasium, nur dass ich diesmal freiwillig hingehe und mir es wirklich Spaß macht. Nicht zuletzt aufgrund der lustigen Truppe in meinem Kurs. Da wären Doherty aus England, Mercedes aus Spanien, Anastasia aus Weißrussland, Xizuan aus China, Patrick aus den USA, Claire und David aus Kanada, Anara aus Kasachstan, Stephanie aus den Niederlanden, Julia aus der Schweiz und und und. Jeder von ihnen kommt aus einer anderen Ecke der Welt, jeder hat seine eigene Geschichte zu erzählen und jeder denkt anders über diese Welt, aber eines verbindet uns – die Liebe zu Paris. Unsere Lehrerin Anna ist eine sehr außergewöhnliche Frau; sie schaut einen immer fragend an, mit einem Blick, der einen durchbohrt, und sie lacht über unsere Antworten, aber sie lacht uns nicht aus, sondern erheitert sich an unseren recht komischen Formulierungen, dadurch wird der Kurs erst richtig lebendig.


Mit allen Schülern komme ich super zu recht und eine hat es mir besonders angetan. Anara. Entweder habe ich ein Faible für kasachische Mädchen oder ich wollte einfach einen Ersatz für meine beste Freundin Anita suchen, die ebenfalls aus Kasachstan kommt. Anara ist 21 und möchte Musik und Gesang in Paris studieren, was sie noch sympathischer macht und jetzt bringt sie mir noch kasachisch bei. Aber natürlich vernachlässige ich meine anderen Mitschüler nicht und gemeinsam machen wir Paris unsicher. Wie aber unterhält man sich, wenn jeder eine andere Sprache spricht und keiner so richtig französisch sprechen kann? Da hilft nur ein guter französischer Wein ;) Das lockert die Stimmung und plötzlich versteht man jede Sprache auf dieser Welt.

25.03.2012


Aux 3 éléphants

Einer der Gründe warum ich Frankreich liebe ist ihre Essenskultur. Jeder, der mich kennt, weiss, dass ich gerne und gut esse und jeder der Paris kennt, weiss, dass die Pariser noch viel mehr Wert darauf legen. Wenn ich hier durch die Boulevards laufe, fühle ich mich wie ein kleiner Junge im Schlaraffenland, der nicht genug von Köstlichkeiten kriegen kann, die überall in den Schaufenstern angeboten werden. Seitdem das Wetter so schön ist, bemerke ich erst richtig wie die Stadt aufblüht, denn egal wohin ich hinschaue ist jedes Restaurant, jede Brasserie und jedes Bistro bis auf den letzten Tisch mit Parisern besetzt. 
Die Pariser verlängern ihre Mittagspause schon mal gerne auf eineinhalb Stunden, damit das Déjeuner auch richtig genossen werden kann und der Café danach nicht zu kurz kommt, gerne gönnt man sich auch schon ein Glas Wein und abends werden gleich mehrere Stunden für das Drei-Gänge-Menü eingeplant. 














Wie der Zufall es will besitzt mein Onkel eines, den Kritikern zufolge, der besten thailändischen Restaurants in Paris. Es befindet sich auf der rue Tiquetonne, einer kleinen Strasse im Montorgeuil-Viertel, das für seine Restaurants und Bars bekannt ist. Von aussen ist es ziemlich unscheinbar und eigentlich vermutet man kaum, was für eine gute Küche sich hinter dieser doch recht schlichten Fassade versteckt. Es ist wie jedes Restaurant in Paris klein. Wenn man es betritt, wird man sofort von der lebhaften Atmosphäre gefangen, denn hier reiht sich ein Tisch an den anderen, man sitzt schon fast auf den Schoss des anderen und die Gespräche des Nachbars werden oft zur Attraktion des Lokals. Nicht selten stehen die Tische so eng bei einander, dass man erst eins aus der Reihe rausziehen muss, um sich hinsetzen zu können, aber daran sind die Pariser gewöhnt und das macht den Charme vieler Restaurants erst richtig aus.


Normalerweise gehe ich selten asiatisch essen, denn bei Mutti schmeckt es doch immer noch am besten, aber bei meinem Onkel bekommt man wirklich authentisches, thailändisches Essen, das mit frischen Zutaten und viel Liebe zubereitet wird. Meine Lieblingsvorspeise ist die Meeresfrüchtesuppe mit Zitronengras, weil sie die einzige Suppe ist, die ich kenne, in der wirklich Meeresfrüchte drin sind und davon nicht zu wenig. Beim Löffeln entdeckt man Garnelen, Jakobsmuscheln, Miesmuscheln, Krabbenscheren und Tintenfische; die Suppe ist pikant gewürzt und durch die vielen Kräuter und Gewürze bekommt sie zusätzlich einen frischen,aromatischen Geschmack. Jedes mal, wenn ich diese Suppe verzehre, fühle ich mich
wie am Strand von Koh Phi Phi.

Bei den Hauptspeisen kann ich mich nie so richtig entscheiden, denn am liebsten würde ich sie alle immer essen wollen, aber dann schaut man mich an, als ob ich ein Monster wäre, dabei komme ich doch nur aus Deutschland, wo die Portionen etwas üppiger ausfallen. Ich habe die Wahl zwischen Ente in rotem Curry mit Ananas, karamellisiertem Hühnchen mit frischem Ingwer, im Bananenblatt gedämpften Lachs oder dem scharfen Papayasalat. Warum muss man sich im Leben immer für eine Sache entscheiden? Ich nehme heute den Lachs, die anderen Gerichte werde ich dann morgen ausprobieren ;) Eine Sache darf man auf keinen Fall auslassen, wenn man bei meinem Onkel isst: Mangue aux riz gluantes. Eine frische Mango, so weich wie Butter und so aromatisch, wie man es sich nicht vorstellen kann, gebettet auf süssem Klebreis und serviert mit einer leckeren Kokosmilchsauce. Nach diesem Desert kann man zufrieden ins Bett gehen, obwohl ich auch gerne danach noch feiern gehe.

Ich befürchte, wenn ich die nächsten sechs Monate so weiter mache, werde ich wie eine runde Kugel nach Köln zurück rollen können. Aber dafür lebe ich wie ein Gott in Frankreich.






14.03.2012



Haben Sie noch einen Platz auf der Terrasse?


Mittwoch, 14.03.2012, 10.21h. Der Frühling macht sich in Paris bemerkbar. Ich bin gerade auf dem Weg zu meinem Lieblingsbäcker PAUL, um mir ein Pain au Chocolat zu gönnen, als mir eine junge Dame im knielangen Sommerkleid entgegenkommt. Ich bleibe stehen und schaue sie bewundernd an, fasziniert von der Fröhlichkeit und Leichtigkeit, die sie ausstrahlt. Sie erwidert meinen Blick, zwinkert mir zu und schenkt mir ein Lächeln. Wie könnte der Tag besser beginnen? Ich passiere die Apotheke und kann der Anzeigentafel des Thermometers nicht trauen: 18,4°C. Die Sonne scheint vom blauen Himmel, keine einzige Wolke weit und breit und es weht eine lauwarme Brise durch die Boulevards. Ich bin endlich in dem Paris angekommen, in dem ich immer sein wollte.

Die Pariser sind ja bekannte Sonnenanbeter. Bei dem ersten Sonnenstrahl im Frühling schwärmen sie aus und besetzen alle Cafés, jeden Park und jede Bank. Sie lieben es stundenlang draußen zu sitzen, ihren Café zu trinken und den Passanten zuzuschauen und das nicht nur im Sommer. Wenn es im Winter schneit, wird die Terrasse geheizt; falls es regnet, werden die Markisen rausgefahren und wenn die Sonne droht einem das Gesicht zu verbrennen, werden die Gäste mit feinen Wassertröpfchen besprüht, damit die Pariser das Höchste Gut ihres Landes genießen Können : la Liberté – die Freiheit.
Ich versuche es den Parisern gleich zu tun und lasse meine Jacke heute zu hause, kremple meine Hose hoch und setze mir meine Sonnenbrille auf.

Nach zwei Wochen Muße tun, beginnt nun der ernst des Lebens. Ich schreibe mich heute bei der Universität ein. Die medizinische Fakultät der Universität Paris Diderot befindet sich ganz im Norden von Paris, gleich neben dem Krankenhaus BICHAT, an der Metrostation St. Ouen. Das Viertel ist nicht wirklich schön und die Glanzjahre des Universitätsgebäude scheinen auch schon etwas länger her zu sein. Die Gänge im Gebäude sind endlos lang und verwinkelt, zudem hat mich mein Orientierungssinn in Stich gelassen und ich verirre mich in diesem Labyrinth. 
Plötzlich klopft mir jemand an die Schulter, ich drehe mich um und vor mir steht ein junger Franzose. „Are you looking for the Fuck?“, fragt er mich. Ich glaube mich verhört zu haben, da die Franzosen bekannt für ihr verunglimpftes Englisch sind und bitte ihn die Frage nochmal zu wiederholen. „You look for the Fuck, wright?“, sagt er ganz lässig. Ich schaue ihn verdutzt an. Habe ich heute was komisches an? Oder soll das die schlechteste Anmache sein, die ich jemals gehört habe. „Non merci“, antworte ich und drehe mich um. „But if you want to go to the Faculty, it is this direction!“ Ich merke wie mein Kopf rot anläuft und in Gedanken versinke ich gerade im Boden. Er spricht von der Fakultät – la Fac im Französischen abgekürzt. Ich drehe mich wieder um, schmunzle und bedanke mich für seine Hilfe. Er heißt Matthieu und studiert Medizin im vierten Semester. Matthieu führt mich durch die Uni, zeigt mir die Vorsäale, die Mensa, die Bibliothek, er erklärt mir die Medizinerausbildung in Frankreich und führt mich schließlich zu Mme Theurier, die sich um mich kümmern wird.
Ich bedanke mich bei Matthieu und lade ihn auf ein Café ein. Wir gehen gegenüber zur Brasserie und Matthieu fragt den Kellner typisch parisisch: „Avez-vous une place sur la terrasse?“

07.03.2012


Bon anniversaire

Heute ist mein dritter Tag in Paris und meine beste Freundin Anita aus London folgt meinem Ruf und besucht mich, da wir zusammen ihren Geburtstag feiern möchten. Anita und ich kennen uns schon sehr lange und gemeinsam haben wir schon die halbe Welt bereist, haben ein Abenteuer nach dem anderen erlebt und zusammen das Leben in vollen Zügen genossen. Ich freue mich sehr, dass sie kommt und gleich so viele hübsche Freundinnen mitbringt - Linda aus London, Chrisse aus Frankfurt und Anna, die bereits in Paris lebt, zudem kommen meine Schwester und ihre Freundin Olga aus Köln. Ich versammle mein Harem um mich und zusammen machen wir Paris unsicher.

Es gibt nur ein Geburtstagsgeschenk, das wohl jede Frau auf dieser Welt glücklich macht – eine Shopping Tour durch Paris. Die Ladies scheinen von jedem Schuhladen im Marais besessen zu sein und ich versuche tapfer durch zu halten, trage brav die vollen Einkaufstüten und nicke freundlich bei jedem Schuh. Ein Besuch im Schuhladen ist wie ein Drama in fünf Akten. Zuerst betreten wir die Bühne und schauen uns um, denn schließlich ist alles neu und keiner dieser Schuhe haben wir in den vorherigen zwanzig Schuhläden gesehen. Dann entdeckt die Protagonistin ein Paar Stiefel, in die sie sich unsterblich verliebt. Immer wieder liebäugelt sie mit dem Paar, betrachtet sie aus allen Perspektiven, streichelt und beschnuppert sie. Schließlich folgt der Höhepunkt: die Anprobe. Voller Vorfreude schauen alle Freundinnen zu und fragen sich, wie die Stiefel wohl am Fuß aussehen wird, zu welchem Outfit sie passen oder ob wir nicht gleich ein neues Kleid dazukaufen sollten. Dann kommt der große Schock. Die Protagonistin entdeckt den Preis. Er ist unbezahlbar. Schließlich folgt eine sehr lange Diskussion über den Sinn des Lebens und ob ein teures Paar Stiefel nicht dazugehört, denn man gönnt sich ja sonst nichts im Leben und wer weiß, ob in den nächsten zwanzig Läden überhaupt etwas annäherungsweise Schönes dabei ist. Das Drama endet mit Tränen, denn man besinnt sich wieder, das Paar wird zurückgestellt und die Bühne verlassen, aber der nächste Schuhladen ist, was für ein Zufall, eine Bühne weiter ;)

Nach soviel Kultur gönnen wir uns zunächst die besten Macarons in der Stadt und fahren zur Galaries Lafayette, wo Pierre Hermé diese köstliche Spezialität anbietet. Von CHOCOLAT PORCELANA bis CRÈME BRÛLÉE über INFINIMENT CARAMEL, alle Sorten entzünden ein Feuerwerk in unserem Mund und jeder will einfach nur mehr. Doch alles in Paris ist petit, petit...

Abends besuchen wir ein Konzert von SOKO, einer französischen Sängerin, die auf Englisch singt und deren Lieder von Mord und Totschlag handeln. Sie singt Lieder wie „We Might Be Dead By Tomorrow“, „Destruction Of The Disgusting Ugly Hate“ und „Why Don't You Eat Me Now You Can“. Ihre Lieder sind melancholisch und tiefgründig, letztlich wir bekommen das Gefühl, dass SOKO Probleme mit Männern hat und sie definitiv depressiv ist. Hört euch das letzte Lied doch mal an ;)



Den krönenden Abschluss des Tages feiern wir mit einem Diner im Restaurant „Chez Janou“, einem wirklich gutem Franzosen im Marais – wo wir wieder bei den Schuhen wären. Ich hoffe Anita, du hattest einen schönen Geburtstag hier in Paris!

Dein Japo