04.05.2012


Japo's Anatomy

6.13 h
Der Wecker klingelt und es ist Zeit aufzustehen. Ich versuche den Ruf meiner Uhr zu ignorieren und drehe mich nochmal um in der Hoffnung, dass die Welt genau jetzt untergeht und ich in Frieden weiter schlafen kann, aber die Realität holt mich schnell ein und quäle mich aus dem Bett.

7.01 h
Ich mache mich auf dem Weg zur Metro und tauche ein in den Strom von Menschen, die sich alle auf dem Weg zur Arbeit machen. Ich esse mein Croissant, lese meine Zeitung und beobachte heimlich das Treiben im Wagon – ich bin jetzt ein Pariser. Das Universitätskrankenhaus Bichat, in dem ich seit einem guten Monat arbeite, befindet sich im Norden von Paris, am Porte de St. Ouen. Von außen wirkt es alt und heruntergekommen, es scheint so, als ob es seine besten Zeiten schon lange hinter sich hat, aber drinnen werden immer noch wahre Wunder vollbracht.

7.35 h
Ich eile schnell zur morgendlichen Besprechung, wo die Internes (Assistenzärzte) dem Team die Fälle der letzten Nacht präsentieren. Es immer wieder ein Genuss, wenn die Oberärztin Dr. J die Internes auseinander nimmt, weil sie schon wieder eine Diagnose falsch gestellt haben, abenteuerliche Therapien begonnen haben oder die Patienten fast umgebracht haben. Dann wünscht sich jeder, dass er nicht gerade vorne ist, um Rede und Antwort zu stehen. Von einer Verflachung der Hierarchien im Krankenhaus hat noch nie jemand was gehört, der Professor und seine Oberärzte sitzen am Runden Tisch, die Stationsärzte platzieren sich in der zweiten Reihe, dann kommen die Internes und letztlich die Externes, die Sklaven, wir Studenten, zu denen ich auch gehöre.
Prof. M empfiehlt mir den ersten Monat bei der Consultation, der Sprechstunde, zu arbeiten, damit ich einen Eindruck gewinne, von dem was man in der Orthopädie macht. Als ob ich das nicht wüsste...

8.14 h

Jeden Dienstag und Donnerstag bereitet einer von uns Studenten eine Vortrag vor, in dem er einen wahren Fall aus der Klinik präsentieren soll. Heute bin ich dran und ich erläutere dem Team mit meinem gebrochenem Französisch die unterschiedlichen Behandlungen einer rezidivierenden Schulterluxation. Natürlich amüsiert sich jeder über meinen Akzent und den bohrenden Fragen der Ärzte kann ich leider nicht entfliehen. Wie aber erkläre ich den Unterschied einer Bankert-Läsion und einer Hill-Sachs-Läsion auf französisch, wenn ich den Unterschied gar nicht kenne? Zum Glück rettet mich der Interne Dr. S und hilft mir aus meinem Dilemma, zudem erklärt er sich bereit mit mir bei einem Kaffee die Röntgenbilder nochmal durchzugehen :)

9.20 h
Eigentlich fängt die Sprechstunde um neun Uhr an, aber hier in Paris macht man erst mal eine ordentliche Frühstückspause, da die Morgenbesprechung immer so anstrengend ist.
Und dann kommt er. Dr. M, der Arzt dem die Frauen vertrauen. Er hat diesen Blick und dieses Lächeln, dem keiner wieder stehen kann, wohl deshalb folgen die Patienten seinem Rat bedingungslos. Natürlich ist er auch ein guter Arzt. Ich arbeite heute mit Dr. M und assistiere ihm bei seinen Untersuchungen, führe Anamnesegespräche durch und bringe ihm natürlich seinen Kaffee.



12.54 h
Nach 28 Patienten gelange auch ich langsam an meine Reserven und es ist Zeit für ein Mittagessen, jedoch werde ich in der Cafeteria schnell enttäuscht, denn anscheinend essen Pariser nur ein Salat oder ein Sandwich. Ich würde am liebsten beides essen und dann noch ein Steak hinterher.
Nach dem Snack mit den anderen Externes verabschiede ich mich, um meinen Feierabend zu genießen, jedoch erinnert mich Dr. S an unsere Röntgenbesprechung und ich besorge noch schnell unseren Kaffee.