14.03.2012



Haben Sie noch einen Platz auf der Terrasse?


Mittwoch, 14.03.2012, 10.21h. Der Frühling macht sich in Paris bemerkbar. Ich bin gerade auf dem Weg zu meinem Lieblingsbäcker PAUL, um mir ein Pain au Chocolat zu gönnen, als mir eine junge Dame im knielangen Sommerkleid entgegenkommt. Ich bleibe stehen und schaue sie bewundernd an, fasziniert von der Fröhlichkeit und Leichtigkeit, die sie ausstrahlt. Sie erwidert meinen Blick, zwinkert mir zu und schenkt mir ein Lächeln. Wie könnte der Tag besser beginnen? Ich passiere die Apotheke und kann der Anzeigentafel des Thermometers nicht trauen: 18,4°C. Die Sonne scheint vom blauen Himmel, keine einzige Wolke weit und breit und es weht eine lauwarme Brise durch die Boulevards. Ich bin endlich in dem Paris angekommen, in dem ich immer sein wollte.

Die Pariser sind ja bekannte Sonnenanbeter. Bei dem ersten Sonnenstrahl im Frühling schwärmen sie aus und besetzen alle Cafés, jeden Park und jede Bank. Sie lieben es stundenlang draußen zu sitzen, ihren Café zu trinken und den Passanten zuzuschauen und das nicht nur im Sommer. Wenn es im Winter schneit, wird die Terrasse geheizt; falls es regnet, werden die Markisen rausgefahren und wenn die Sonne droht einem das Gesicht zu verbrennen, werden die Gäste mit feinen Wassertröpfchen besprüht, damit die Pariser das Höchste Gut ihres Landes genießen Können : la Liberté – die Freiheit.
Ich versuche es den Parisern gleich zu tun und lasse meine Jacke heute zu hause, kremple meine Hose hoch und setze mir meine Sonnenbrille auf.

Nach zwei Wochen Muße tun, beginnt nun der ernst des Lebens. Ich schreibe mich heute bei der Universität ein. Die medizinische Fakultät der Universität Paris Diderot befindet sich ganz im Norden von Paris, gleich neben dem Krankenhaus BICHAT, an der Metrostation St. Ouen. Das Viertel ist nicht wirklich schön und die Glanzjahre des Universitätsgebäude scheinen auch schon etwas länger her zu sein. Die Gänge im Gebäude sind endlos lang und verwinkelt, zudem hat mich mein Orientierungssinn in Stich gelassen und ich verirre mich in diesem Labyrinth. 
Plötzlich klopft mir jemand an die Schulter, ich drehe mich um und vor mir steht ein junger Franzose. „Are you looking for the Fuck?“, fragt er mich. Ich glaube mich verhört zu haben, da die Franzosen bekannt für ihr verunglimpftes Englisch sind und bitte ihn die Frage nochmal zu wiederholen. „You look for the Fuck, wright?“, sagt er ganz lässig. Ich schaue ihn verdutzt an. Habe ich heute was komisches an? Oder soll das die schlechteste Anmache sein, die ich jemals gehört habe. „Non merci“, antworte ich und drehe mich um. „But if you want to go to the Faculty, it is this direction!“ Ich merke wie mein Kopf rot anläuft und in Gedanken versinke ich gerade im Boden. Er spricht von der Fakultät – la Fac im Französischen abgekürzt. Ich drehe mich wieder um, schmunzle und bedanke mich für seine Hilfe. Er heißt Matthieu und studiert Medizin im vierten Semester. Matthieu führt mich durch die Uni, zeigt mir die Vorsäale, die Mensa, die Bibliothek, er erklärt mir die Medizinerausbildung in Frankreich und führt mich schließlich zu Mme Theurier, die sich um mich kümmern wird.
Ich bedanke mich bei Matthieu und lade ihn auf ein Café ein. Wir gehen gegenüber zur Brasserie und Matthieu fragt den Kellner typisch parisisch: „Avez-vous une place sur la terrasse?“