15.04.2012



Frohes neues Jahr

Es ist Mitte April und meine Freunde wünschen mir viel Erfolg, Glück und Gesundheit für das neue Jahr. Ich schaue zunächst verdutzt und frage mich, ob die Franzosen einem anderen Kalender folgen oder ob ich jetzt jegliches Zeitgefühl verloren habe - was gar nicht so unwahrscheinlich klingt, da mir jeder Tag wie ein Feiertag vorkommt - bis ich realisiere, dass meine Freunde sich besser mit dem Buddhismus auskennen als ich, denn in Thailand und Laos wird gerade das Jahr 2555 gefeiert.
Und da ich so unglaublich gläubig bin und auch jeder Tradition ihren Tribut zolle, muss dieser Feiertag gebührend gefeiert werden.



Obwohl Paris der perfekte Ort zum feiern ist, entscheiden meine Freunde und ich die Stadt zu verlassen, um auf dem Land eines der größten buddhistischen Tempel in Frankreich aufzusuchen. Und der Weg dorthin ist schon ein Erlebnis für sich. Glaubt ihr der Verkehr in der Stadt in Köln ist schrecklich? Dann habt ihr noch nie ein Auto in Paris benutzt. Ich schnalle mich also vorne an, zünde den Motor und gebe Gas, doch ich komme keine zehn Meter vorwärts und habe bestimmt schon drei rote Ampeln übersehen, fast eine Oma überfahren und mich gegen etliche Autos angelegt. In Frankreich scheint es keine Straßenmarkierungen zu geben, mitten auf dem achtspurigen Kreisverkehr taucht plötzlich eine Ampel auf und ich fange an zu schwitzen. Zudem habe ich noch eine rot-grün-Schwäche und kann nicht gleichzeitig Auto fahren und dem Navi folgen. Willkommen auf den Straßen von Paris. Glücklicherweise ist dort oben jemand, der auf uns aufpasst und uns auf den richtigen Weg bringt.



Wir kommen am Tempel an und sehen diese Masse an Thailändern und Laoten, fein herausgeputzt, ihre Hände voll mit Gaben an die Mönche, es müssen über Tausend Besucher sein. Es ist ein bewölkter Apriltag und es weht ein leicht kühler Wind, aber dass kann keinen hier abhalten sich auf der Wiese nieder zu setzen und den Gebeten zuzuhören. Mir scheint es so, als ob ich der einzige bin, der die Gebete nicht auswendig kann, aber ich falte trotzdem meine Hände und bewege meine Lippen synchron zu denen meiner Nachbarn, dabei geht mir gerade ein Lied von Rihanna durch den Kopf, der eigentlich nicht dem Anlass entspricht, aber ich gebe mein Bestes, um nicht aufzufallen.
 
Nach dem Gebet bringen wir unsere Opfergaben an die Mönche, die uns mit ihrem Weihwasser segnen und uns viel Glück für das neue Jahr wünschen. Dabei bräuchte ich eher Glück für die Heimfahrt nach Paris. Man kann die Geschenke an die Mönche auch vor Ort kaufen. Es handelt sich um alltägliche Dinge, etwas zu Essen und Kleidung. Mir fällt aber auf, dass nach der Übergabe der Gaben die Geschenke ihren direkten Weg zum Verkaufsstand wieder finden, um in einer Endlosschleife von Verkaufen und Schenken zu landen. Irgendwie muss sich dieser Tempel ja auch Geld verdienen.
Anschließend machen wir uns auf den Weg zu den unzähligen Buddhastatuen, um jeden einen Weihrauchstäbchen zu zünden. Es gibt sieben für jeden Wochentag, zwölf für jedes Tierzeichen, andere die für Glück oder Gesundheit stehen, nach einer halben Stunde fühle ich mich selbst wie ein Weihrauchstäbchen und stecke meine restlichen Stäbchen dem Buddha der Fruchtbarkeit zu, in der Hoffnung, dass ich Paris ohne Kinder verlassen werde.


Das beste heben wir uns aber zum Schluss auf. Und in meinem Fall kann es anderes nichts sein als: Essen. Ich fühle mich wie auf einem Markt auf den Straßen von Laos. Überall riecht es nach leckeren Köstlichkeiten, es wird unter dem offenen Himmel gekocht und jedes Gericht wird in zwei Minuten frisch zubereitet. Natürlich muss man über die hygienischen Zustände hinweg schauen, aber das essen soll ja authentisch sein. Obwohl ich gerade erst vom Gebet komme, begehe ich schon wieder eine Sünde und fröne der Völlerei. Ich schlage meinen Bauch mit Suppen, geratenen Nudeln, getrocknetem Rindfleisch, scharfen Papayasalat, Frühlingsrollen, gebackenen Tintenfischringen und frittierte Bananen voll.
Glücklich und zufrieden steigen wir wieder in das Auto, um in Paris weiter feiern zu gehen ;)
Frohes neues Jahr 2555

09.04.2012


Vivre à la campagne



Ich bin mit der Vorstellung nach Paris gekommen eine richtig schöne Bleibe zu finden, in der ich meinen Sommeraufenthalt genießen werde. Im Kopf schweben mir meterhohe Decken mit Stuck verziert, alter Parkettboden, der knarrt, wenn man über ihn läuft und riesige Fenster, durch die die Sonne den ganzen Tag hindurch scheint,vor. Idealerweise liegt die Wohnung mitten im Zentrum, wo das Leben pulsiert, entweder im ersten Arrondissement, wo ich alles gut zu Fuß erreichen kann oder im Marais, wo ich jeden Tag feiern gehen kann, vielleicht aber auch in St. Germain, wo ich das alte Paris entdecken kann oder doch lieber im neuen In-Viertel um Republique? Schnell mache ich jedoch mit einer Sache Bekanntschaft, die meinen Plan durchkreuzt : die Miete. Extraordinär hoch und in keiner Relation zu den zu vermieteten Objekten. In Paris bezahlt man für ein zehn Quadratmeter großes Zimmer um die 600 bis 700€, wohnt im siebten Stock ohne Aufzug und wenn man Glück hat, existiert ein Fenster. Aber ich gebe nicht so leicht auf und bereite mich auf mein Abenteuer auf dem Wohnungsmarkt in Paris vor. Ich durchforste um die 850 Internetannoncen, rufe bei gefühlt 100 Vermietern an und schaue mir mindestens 50 Wohnungen an, bis ich endlich meine Traumwohnung gefunden habe. Ich entscheide mich in eine WG mit Clement zu ziehen, wodurch es etwas günstiger wird und ich gleichzeitig einen privaten Französischlehrer habe ;)

Die Wohnung liegt im zwölften Arrondissement, im Südwesten der Stadt, an der Grenze zum Stadtwald. Hier ist ruhig und gelassen, zweimal die Woche findet morgens ein Markt auf dem Boulevard statt,die Cafés schließen Abends um zehn und nachts bin ich der einzige der angetrunken nach Hause torkelt - man könnte fast sagen ich lebe auf dem Land. Aber mir gefällt's. Clement arbeitet im Bankwesen und ist oft beruflich unterwegs, sodass ich unser Appartement meistens für mich allein habe.







Gerade packe ich meine beiden Koffer aus, als sich Bibi und Mario aus Köln zu Besuch anmelden. Sie sind die zweiten, die meinem Ruf folgen und mich in Paris besuchen, worüber ich mich immer freue. Der beste Plan für einen Aufenthalt in Paris ist keinen zu haben, denn dadurch genießt man die Zeit hier viel besser und lernt die Stadt wie ein Pariser kennen. Wir entscheiden uns Paris mit dem Fahrrad zu erkundigen, damit auch die kleinen, romantische Ecken dieser schönen Stadt entdeckt werden, auch wenn das Fahrrad fahren hier ganz schön gefährlich werden kann. Man muss nur an die achtspurigen Kreisverkehre denken ;) Wir benutzen Velib, ein Fahrradausleihsystem, das alle dreihundert Meter eine Station errichtet hat, zudem ist die erste halbe Stunde kostenlos. Auf unserer Route halten wir auf der Rue Montorgueil um dort lecker französisch zu essen, wir stoppen bei Fauchon, um die Welt der Macarons zu entdecken, natürlich besuchen wir auch die Champs Elysees und genießen die Zeit auf den Treppen vom Sacre Coeur. Bibi und Mario sind ein lustiges Pärchen und es macht super viel Spaß mit ihnen Paris zu erobern.






Und wenn ihr auch Lust auf Paris habt, heiße ich euch gerne auf meinem Landschloss willkommen.

05.04.2012


Wie sagt man Japo auf Kasachisch?

Ich bin jetzt seit ein Paar Wochen in Paris und fühle mich durch und durch wie ein richtiger Pariser. Ich kleide mich wie sie, ich gehe wie sie, ich lache wie sie, ich esse in den gleichen Restaurants, besuche die gleichen Bars und fahre jeden Tag mit ihnen in der Metro, aber irgendetwas an mir lässt erkennen, dass ich nicht ganz von hier bin, obwohl ich jeden Tag mein Bestes gebe. Ist es vielleicht mein deutscher Akzent, mein gutes Englisch oder eher meine riesige Vokabellücke in der französischen Sprache? Ich denke eher letzteres.
Also entscheide ich mich dafür einen Französischkurs zu besuchen, damit ich endlich als Pariser durchgehe und eventuell ist es keine schlechte Vorbereitung auf das spätere Praktikum im Krankenhaus, wo ich, ob ich es will oder nicht, mit Patienten reden soll.



 
Auf der Suche nach der richtigen Schule stolpere ich über die Seite der Alliance Francaise. Im Süden der Stadt gelegen, in der Nähe zum Jardin Luxembourg, bietet die AF verschiedene Kurse auf unterschiedlichem Niveau an und aus einem unerklärlichen Grund stuft man mich in den Kurs B2 ein, obwohl ich beim Einstufungstest versage, aber mein charmantes Lächeln holt mich dort wieder raus. Ich gehe jetzt also wieder zu Schule, dreimal die Woche vormittags und zweimal nachmittags. Ich quäle mich jeden Tag aus dem Bett, dreh mich noch zweimal um bevor ich wirklich wach bin, putze mir in letzter Minute die Zähne, um schnell in die Metro zu springen, komme wie immer zu spät und im Unterricht versuche ich nicht einzuschlafen. Das alles erinnert mich an meine Schulzeit auf dem Gymnasium, nur dass ich diesmal freiwillig hingehe und mir es wirklich Spaß macht. Nicht zuletzt aufgrund der lustigen Truppe in meinem Kurs. Da wären Doherty aus England, Mercedes aus Spanien, Anastasia aus Weißrussland, Xizuan aus China, Patrick aus den USA, Claire und David aus Kanada, Anara aus Kasachstan, Stephanie aus den Niederlanden, Julia aus der Schweiz und und und. Jeder von ihnen kommt aus einer anderen Ecke der Welt, jeder hat seine eigene Geschichte zu erzählen und jeder denkt anders über diese Welt, aber eines verbindet uns – die Liebe zu Paris. Unsere Lehrerin Anna ist eine sehr außergewöhnliche Frau; sie schaut einen immer fragend an, mit einem Blick, der einen durchbohrt, und sie lacht über unsere Antworten, aber sie lacht uns nicht aus, sondern erheitert sich an unseren recht komischen Formulierungen, dadurch wird der Kurs erst richtig lebendig.


Mit allen Schülern komme ich super zu recht und eine hat es mir besonders angetan. Anara. Entweder habe ich ein Faible für kasachische Mädchen oder ich wollte einfach einen Ersatz für meine beste Freundin Anita suchen, die ebenfalls aus Kasachstan kommt. Anara ist 21 und möchte Musik und Gesang in Paris studieren, was sie noch sympathischer macht und jetzt bringt sie mir noch kasachisch bei. Aber natürlich vernachlässige ich meine anderen Mitschüler nicht und gemeinsam machen wir Paris unsicher. Wie aber unterhält man sich, wenn jeder eine andere Sprache spricht und keiner so richtig französisch sprechen kann? Da hilft nur ein guter französischer Wein ;) Das lockert die Stimmung und plötzlich versteht man jede Sprache auf dieser Welt.