Japo's Anatomy
6.13 h
.JPG)
Der Wecker klingelt und es ist Zeit
aufzustehen. Ich versuche den Ruf meiner Uhr zu ignorieren und drehe
mich nochmal um in der Hoffnung, dass die Welt genau jetzt untergeht
und ich in Frieden weiter schlafen kann, aber die Realität holt mich
schnell ein und quäle mich aus dem Bett.
7.01 h
Ich mache mich auf dem Weg zur Metro
und tauche ein in den Strom von Menschen, die sich alle auf dem Weg
zur Arbeit machen. Ich esse mein Croissant, lese meine Zeitung und
beobachte heimlich das Treiben im Wagon – ich bin jetzt ein
Pariser. Das Universitätskrankenhaus Bichat, in dem ich seit einem
guten Monat arbeite, befindet sich im Norden von Paris, am Porte de
St. Ouen. Von außen wirkt es alt und heruntergekommen, es scheint
so, als ob es seine besten Zeiten schon lange hinter sich hat, aber
drinnen werden immer noch wahre Wunder vollbracht.
7.35 h
.JPG)
Ich eile schnell zur morgendlichen
Besprechung, wo die Internes (Assistenzärzte) dem Team die Fälle
der letzten Nacht präsentieren. Es immer wieder ein Genuss, wenn die
Oberärztin Dr. J die Internes auseinander nimmt, weil sie schon
wieder eine Diagnose falsch gestellt haben, abenteuerliche Therapien
begonnen haben oder die Patienten fast umgebracht haben. Dann wünscht
sich jeder, dass er nicht gerade vorne ist, um Rede und Antwort zu
stehen. Von einer Verflachung der Hierarchien im Krankenhaus hat noch
nie jemand was gehört, der Professor und seine Oberärzte sitzen am
Runden Tisch, die Stationsärzte platzieren sich in der zweiten
Reihe, dann kommen die Internes und letztlich die Externes, die
Sklaven, wir Studenten, zu denen ich auch gehöre.
Prof. M empfiehlt mir den ersten Monat
bei der Consultation, der Sprechstunde, zu arbeiten, damit ich einen
Eindruck gewinne, von dem was man in der Orthopädie macht. Als ob
ich das nicht wüsste...
8.14 h

Jeden Dienstag und Donnerstag bereitet
einer von uns Studenten eine Vortrag vor, in dem er einen wahren Fall
aus der Klinik präsentieren soll. Heute bin ich dran und ich
erläutere dem Team mit meinem gebrochenem Französisch die
unterschiedlichen Behandlungen einer rezidivierenden
Schulterluxation. Natürlich amüsiert sich jeder über meinen Akzent
und den bohrenden Fragen der Ärzte kann ich leider nicht entfliehen.
Wie aber erkläre ich den Unterschied einer Bankert-Läsion und einer
Hill-Sachs-Läsion auf französisch, wenn ich den Unterschied gar
nicht kenne? Zum Glück rettet mich der Interne Dr. S und hilft mir
aus meinem Dilemma, zudem erklärt er sich bereit mit mir bei einem
Kaffee die Röntgenbilder nochmal durchzugehen :)
9.20 h

Eigentlich fängt die Sprechstunde um
neun Uhr an, aber hier in Paris macht man erst mal eine ordentliche
Frühstückspause, da die Morgenbesprechung immer so anstrengend ist.
Und dann kommt er. Dr. M, der Arzt dem
die Frauen vertrauen. Er hat diesen Blick und dieses Lächeln, dem
keiner wieder stehen kann, wohl deshalb folgen die Patienten seinem
Rat bedingungslos. Natürlich ist er auch ein guter Arzt. Ich arbeite
heute mit Dr. M und assistiere ihm bei seinen Untersuchungen, führe
Anamnesegespräche durch und bringe ihm natürlich seinen Kaffee.
12.54 h
Nach 28 Patienten gelange auch ich
langsam an meine Reserven und es ist Zeit für ein Mittagessen,
jedoch werde ich in der Cafeteria schnell enttäuscht, denn
anscheinend essen Pariser nur ein Salat oder ein Sandwich. Ich würde
am liebsten beides essen und dann noch ein Steak hinterher.
Nach dem Snack mit den anderen Externes
verabschiede ich mich, um meinen Feierabend zu genießen, jedoch
erinnert mich Dr. S an unsere Röntgenbesprechung und ich besorge
noch schnell unseren Kaffee.